Thursday, November 30, 2006

Tag eins oder auch Was zum...?

Siegfried Keller ging gemächlich über die Straße. Es war einer dieser Tage wo er an nichts dachte. Wie eine Maschine ließ er den Tag geschehen. Er hatte nichts Spezielles vor.
Wie auch? Seit Jahren schon hatte er keinen Job mehr. Er hatte einige Zeit als Buchhalter gearbeitet, aber irgendwann war das Gebäude abgebrannt. Durch die schlechte Versicherung hatte sich dann der Rest erledigt.
Dass das alles einem seiner Wutausbrüche zu verdanken war, stand auf einem anderen Blatt. War einfach nicht so wichtig, es würde eh nie jemand dahinterkommen.
Er konnte nicht viel, nur Dinge kaputtmachen. Also, richtig kaputtmachen. Und Dinge schloss in diesem Falle Menschen mit ein.
Siegfried schaute auf seine Armbanduhr. 20:35. Nichts zu tun als durch die Stadt zu schlendern. Es war ein schöner Herbsttag. Er schaute nochmals auf die Uhr. Oh ja, November. Es war etwas frisch. Der Wind blies ihm ins Gesicht. Am Morgen hatte er noch darüber nachgedacht ob er nicht seine alten Freunde mal anrufen sollte, doch er hatte sich dagegen entschieden. Die Zeit würde dafür sorgen, dass man sich wieder traf.
Er schaute zur Ampel, sie war gerade grün geworden und er schlenderte weiter, ohne genaues Ziel.
Die Stadt hatte sich in den 15 Jahren in der er hier schon wohnte verändert. Es waren Kinder auf der Straße, um diese Uhrzeit. Früher war das anders. Nicht, dass er was dagegen hätte frühreife Jungendliche in der Stadt zu sehen, aber irgendwie änderten sich die Zeiten.

Er seufzte und schaute auf die Uhr. 20:40 Uhr.
Er setzte sich in ein Cafe, in dessen Nähe hoffentlich um 22 Uhr eine Tanzlokalität öffnen würde. Eigentlich mochte er keine Menschen, zumindest keine Massen davon, aber ab und zu sorgte sein Herdentrieb dafür, dass er unter Menschen musste. Ein Bier hier, ein Tanz dort, ein Flirt vielleicht? Er war sich nicht sicher. Er dachte schon seit Jahren nicht mehr über so etwas nach. Es war schon seit einiger Zeit dunkel. Keller mochte den Winter nicht wirklich.
Normale Menschen freuen sich auf Weihnachten und auf den Schnee. Keller dachte nur an Blutsauger.
Von wegen Großstadtmythos. Von wegen Erfindung von Schriftstellern. Er dachte an alte Erzählungen und Legenden über blutige Kriege mit diesen Viechern. Es gab nur eine Sache die er hasste als seine Uhr zu vergessen, und das waren Vampire.
Die Bedienung kam lächelnd auf ihn zu und er nickte ihr zu. Das Dekollete könnte auch tiefer ausgeschnitten sein dachte er sich und bestellte ein Bier.
Zumindest war es Jahrelang in der Stadt ruhig gewesen. Kein Stress mit niemandem, es war zwar langweilig aber dauernd Adrenalin und hoher Puls führte zu Fehlern. Erstrecht wenn man manchmal die Kontrolle zu verlieren droht wie bei ihm.

Er dachte einfach zu viel nach, das Bier war schon wieder halb leer. Er schaute auf die Uhr. 21 Uhr. Keller seufzte. Die Zeit rannte davon. Er richtete sich seinen Zopf. Die Haare hatte er wie so oft zusammengebunden. Er hoffte, dass dieser Tag endlich mal anders werden würde. Mal raus aus dem Trott. Er hatte sich schon überlegt ob er nicht in der Tanzlokalität nebenan Arbeit suchen sollte, nicht, dass er kein Geld hätte aber Langeweile konnte verdammt tödlich sein. Aber sollte er Türsteher dort werden und die Kontrolle verlieren würden sich doch einige wundern warum jemand Blitze aus seinen Händen schießen kann. Oder der Laden würde einfach in Flammen aufgehen, und beides war einfach inakzeptabel. Er mochte das MOZ, es war nicht zu groß, aber groß genug um zu feiern.
Einige dort kannte er sogar mit Namen. Aber er traf sich mit der Masse von ihnen nicht außerhalb des Wochenendes. Zwischenmenschliche Beziehungen waren ihm einfach zu anstrengend. Das heißt, die meisten.
Er schaute nochmals auf die Uhr. 21:20. Langweilig. Er bestellte noch ein Bier.
Als er nach dem ersten Schluck das Bier abstellte sah er sie. Sie kam gerade zur Tür herein, allein. Ein kurzer schwarzer Mantel, Lederhose, dunkle Haare.
Er lächelte. Sie lächelte zurück. Er zog sich seine Schachtel Zigaretten aus der Hose. Er bereute schon seine alte Hose angezogen zu haben, sie war einfach nicht mehr in bester Form, egal. Er steckte sich seine Zigarette an und legte die Schachtel vor sich auf den Tisch. Sie setzte sich rechts von seinem Tisch an den Tresen und bestellte offenbar auch ein Bier.

Er überlegte sich kurz ob er nicht hingehen sollte, entschied sich aber dagegen. Er war nicht der Typ der einfach Frauen ansprach. Das war einfach Stress für Siegfried, und er mochte keinen Stress. Am besten blieb alles wie es war. Am besten immer, bloß immer kamen irgendwelche die den Ablauf der Tage störten.
Nicht auffallen war die Direktive die für ihn ebenso wie für die seien als auch für die Vampire und die anderen Viecher die es so gab galten.
Man hatte sich geeinigt, keiner sollte auffallen.

Nur ab und zu uferten Streitereien aus. Die meisten hatten zu viel Respekt vor den Magi, wie Keller einer war, als, dass man sie offen angriff. Doch ab und zu wurden einige in eine Falle gelockt oder einzeln ausgeschaltet. Die Rache folgte meist sofort. Das hielt die Szenerie in Deutschland stabil.
Siegfried nahm noch einen Schluck Bier und schaute zu der Frau rüber. Durchaus interessant auch von hinten. Er schüttelte den Kopf und schaute auf die Uhr. 21:40.
Es war noch etwas Zeit. Er entschloss sich dazu noch eine Runde durch die Stadt zu gehen und bezahlte seine Biere.
Nichts Neues. Alles war irgendwie wie immer. Es war kälter geworden. Er grinste in sich hinein. Gut dass mir Kälte echt egal sein kann, dachte er sich. Feuermagie ist so praktisch. Angeblich sei ein spezielles Gen dafür verantwortlich, dass man Magie wirken kann. Selbstverständlich hatte man dies, laut Berichten der Liga, noch nie nachgeprüft. Keller hoffte das inständig. Das hätte nur wieder Stress produziert.
Der neue Buchladen sah auch irgendwie auch wieder nicht überzeugend aus. "Esotherikabteilung", ja. Wenn die wüssten", achte er sich. Ein Grinsen ersetzte seine ernste Miene. Er schlenderte weiter. Er würde sich wohl mal wieder einer dieser Esotherikbücher kaufen um zu lachen. Am besten über Magie. Er musste unweigerlich lachen.

Er schaute auf die Uhr. 22 Uhr. Prima. Er machte sich auf den Weg zurück zum MOZ.

Als er ankam war der Laden schon auf. Endlich. Er schlenderte rein und winkte den Türstehern zu die ihn durchwinkten. Stammgast sein ist super. Sparte immer ein paar Euro.

So früh am Abend war der Raum noch richtig leer. Angenehm, kein Gedrängel. Er ging zur Theke und bestellte sich noch ein Bier und gab ein paar Cent Trinkgeld und bekam als Dankeschön ein Lächeln der Bedienung.
Er drehte sich von der Theke weg in Richtung Tanzfläche und blickte in ihr Gesicht.
"Hey" kam es von ihr "ich wollte dir eigentlich eins ausgeben". Siegfried grinste. Ihm passierte so was nicht oft, er war wohl meist einfach zu unfreundlich zu Fremden.
Sie stießen an.
Loreley, interessanter Name. Irgendwie ein alter Name. Aber passte zu ihr, auch wenn sie erst 25 war. Technische Zeichnerin sei sie. Nett. Er erzählte ihr, dass er Journalist sei, was ja auch in etwa stimmte. Er schrieb Berichte über das Geschehen in der Welt sowie seltener Essays. Nicht, dass er das Geld brauchen würde aber die Langeweile trieb ihn dazu.
Ein langsamer Song wurde vom DJ eingespielt. Einer dieser Schnulzensongs. Langsam, älter. Es passierte nicht oft im MOZ, dass etwas gespielt wurde wozu man noch klassisch Tanzen konnte. Loreley zog Siegfried auf die Tanzfläche der noch eben den letzten Schluck Bier trank nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte. Irgendwas war heute anders dachte er insgeheim.

Sie drückte sich an ihn und sie tanzten langsam und innig. Die Zeit verging wie in Zeitlupe. Das Lokal wurde langsam voller und sie standen noch immer dort, am Rande. Nach einiger Zeit löste sie sich. Wollte einigen Freunden hallo sagen.
Siegfried war dies nur Recht, ihm war an ähnlichem gelegen. Und auf all das erstmal noch ein Bier.
Sie war größer als er, was auch nicht schwer war. Was ihn nur noch mehr zum Grübeln brachte. Er reichte einigen Leuten die Hand und stieß an. Er schaute auf die Uhr. 23:20. Die Zeit verflog in angenehmer Gesellschaft.
Das Bier war schon wieder halb leer als sie zurückkam. Lächelnd. Sie hatte ihn vermisst sagte sie. Er musste grinsen. Sie umarmte ihn und fragte ob man nicht gehen sollte. Er nickte. Zu ihm sollte es gehen. Er wunderte sich etwas. Aber es war nicht die Zeit zu denken.
Sie verbrachten die Nacht zusammen. Nicht für eine Nacht das war beiden klar und brauchte nicht viele Worte.
"Ich will ehrlich zu dir sein" waren ihre Worte am nächsten Morgen. Es war noch dunkel.
"Ich muss nach Hause bevor es hell wird."
Verheiratet? Kinder? Siegfried schossen Bilder durch den Kopf. Er streichelte ihr Gesicht und fragte warum.
Es war einfach alles irgendwie viel zu perfekt gewesen.
"Egal was es ist, es spielt doch keine Rolle" hörte er sich sagen und er war sich fast sicher, dass er es auch meinte.
"Eigentlich wollte ich heute jagen", sagte sie und er hob eine Augenbraue. "Aber dann warst du da, und das wäre solch eine Verschwendung gewesen".
Ihm dämmerte es langsam. Ganz langsam.
"Blutsauger..." murmelte er und sie nickte.

"Ach, Scheisse" sagte er leise und küsste sie.

1 comment:

Anonymous said...

Nette Geschichte! =) Hat Spaß gemacht sie zu lesen...